DIE
KOLLEKTION
des HANDELSVERTRETER
Dr. Erich Schwarz
Der Begriff stammt vom lateinischen „colligere“,
was soviel wie „sammeln, zusammenbringen“ bedeutet.
Ältere Begriffe sind Musterkollektion, Mustersammlung oder Musterkoffer.
Das alte österreichische Handelsvertretergesetz von 1921 spricht in §
12 vom Musterkoffer.
Die Bedeutung der Kollektion ist je nach Branche verschieden, in manchen Branchen
ist sie aufgrund der Gegenstände der Vertretung gar nicht vorhanden. Klassische
Vertretungsgebiete mit Kollektionen sind insbesondere der Textil- sowie der
Uhren- und Schmuckhandel. Im letzteren Fall kann die Kollektion auch einen höheren
Wert erreichen.
I) Gesetzliche Regelung:
Ein allgemeiner und mittelbarer Hinweis ist in § 6 Abs. 1 und 2 HVertrG
93 enthalten, wonach der Unternehmer (U) den Handelsvertreter (HV) bei Ausübung
seiner Tätigkeit zu unterstützen hat und insbesondere dem HV die erforderlichen
Unterlagen zur Verfügung zu stellen hat und alle notwendigen Informationen
erteilen muss.
Ausdrücklich erwähnt ist die Kollektion unter der Bezeichnung „Muster“
in § 19 HVertrG 93.
Dieser sieht inhaltlich gleich dem früheren § 18, ein kaufmännisches
Zurückbehaltungsrecht des HV an den ihm vom U übergebenen Mustern
vor. Voraussetzung ist, dass die Forderung des HV bereits fällig ist. Es
wird auf die §§ 369 u. 370 Handelsgesetzbuch verwiesen.
Auch wenn die Fälligkeit der Forderung des HV noch nicht eingetreten ist,
steht ihm dieses Zurückbehaltungsrecht dann zu, wenn über das Vermögen
des U der Konkurs eröffnet wurde, der U seine Zahlungen eingestellt hat
oder eine Zwangsvollstreckung über das Vermögen des U ohne Erfolg
geblieben ist.
Ist die Forderung des HV bereits verjährt, so kann er kein Zurückbehaltungsrecht
ausüben (Rechtsprechung).
Während des Bestandes des Vertragsverhältnisses ist das Zurückbehaltungsrecht
regelmäßig nicht von besonderer Bedeutung, wichtig wird es bei Beendigung
des Vertrages.
Das Zurückbehaltungsrecht besteht unabhängig davon, wer die Beendigung
des Vertrages verschuldet hat.
Der HV kann für die Aufbewahrung der Kollektion auch angemessene Lagerkosten
verlangen (Rechtsprechung).
Der HV ist gemäß § 371 HGB auch berechtigt, die zurückbehaltene
Kollektion zu verwerten und seine offene Forderungen aus deren Erlös zu
befriedigen.
Die Bestimmungen des § 19 HVertrG 93 sind nicht zwingend, es kann etwas
anderes vereinbart werden.
Weiters verfügt § 19 HVertrG 93, dass der HV dann verpflichtet ist
die Muster ohne Verzug zurückzustellen, wenn der U einem dem Wert der Muster
oder der Höhe der Forderung entsprechenden Betrag bei Gericht erlegt oder
anderweitig Sicherheit für diesen Betrag leistet.
Weitere gesetzliche Bestimmungen über die Musterkollektion des HV kennt
das österreichische Recht nicht.
Das deutsche Handelsvertreterrecht ist sehr ähnlich, die Bestimmungen sind
zum Schutz des HV allerdings teilweise zwingend, also nicht abdingbar.
II) Praktische Probleme und Rechtsprechung:
1) Von praktischer Bedeutung ist die in vielen HV-Verträgen (HVV) enthaltene
Verpflichtung des HV, die ihm zur Verfügung gestellte Kollektion am Ende
der Saison gegen besonderen Rabatt zu kaufen. Dies führt zu den bekannten
Kollektionsabverkäufen und der Problematik der unverkäuflichen Restbestände.
Dazu liegt zwar keine österreichische, jedoch eine deutsche Rechtsprechung
vor, zuletzt OLG München, 8.8.2001, 7 U 5118/00:
Eine Vereinbarung die den HV zum Kauf der ihm vom U überlassenen Musterkollektion
verpflichtet, kann in einem HVV nicht wirksam getroffen werden.
Der U muss dem HV die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderliche
Musterkollektion als Nebenpflicht des HVV überlassen, und zwar grundsätzlich
kostenlos gegen Rückstellung. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist unwirksam.
Diesbezügliche formularmäßige Klauseln im Vertrag aber auch
darauf abzielende Individualvereinbarungen laufen den wesentlichen Grundgedanken
des HVV zuwider und benachteiligen den HV unangemessen.
Die Abwälzung des Absatzrisikos auf den HV betreffend die Musterkollektion
ist unwirksam.
Es ist anzunehmen, dass im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung auch
der österreichische OGH in dieser Richtung argumentieren wird.
2) Von praktischer Bedeutung ist auch die Frage, wer das Risiko des Verlustes,
des Diebstahls, etc. hinsichtlich der Kollektion zu tragen hat.
In diesem Zusammenhang denkt man insbesondere an oft sehr wertvolle Schmuck-
und Uhrenkollektionen.
Um den damit zusammenhängenden schwierigen rechtlichen Fragen zu entgehen
empfiehlt sich, die entsprechende Versicherung der Kollektion.
Zur Frage der Haftung äußert der deutsche BGH in diesem Zusammenhang
mit Urteil 7.4.1993, AZ VIII ZR 133/92, nachstehende Meinung:
„Ist dem HV die Rückgabe von Mustern unmöglich, weil sie ihm
gestohlen worden sind und hat er dies z.B. durch Fahrlässigkeit zu vertreten,
so ist er dem U zum Schadenersatz verpflichtet. Je höher der Warenwert
umso größere Anforderungen sind an die Sorgfaltspflicht des HV zu
stellen.“
Was die allfällige Pflicht zur Versicherung der Musterkollektion betrifft,
sind deutsche Lehre und Rechtsprechung uneinheitlich, in den Fällen in
denen eine Versicherungspflicht des HV angenommen wird, wird diesem teilweise
ein Aufwendungsersatzanspruch für die Versicherungsprämie zugesprochen.
Bei der Bemessung der Höhe des Schadens für den Verlust der Musterkollektion
ist nicht vom Verkaufspreis, sondern von den Herstellungskosten auszugehen (LG
Darmstadt).
Zusammenfassend ergibt sich daher, dass die Frage der Versicherungspflicht der
Kollektion gegen typische Risken, wie Naturgewalten, Diebstahl, etc. jedenfalls
anlässlich des Vertragsabschlusses zu besprechen ist und im HVV Eingang
zu finden hat.
III) Sonstiges:
In der Praxis kommt es sehr häufig vor, dass die Kollektion mangelhaft
ist, dass dem HV nicht die neueste Kollektion übermittelt wird, dass er
sie verspätet erhält, etc.
Derartige Umstände können nach vorheriger Abmahnung zu einer Ausgleichsanspruch
erhaltenden Vertragsbeendigung durch den HV Anlass geben (§ 24 Abs. 3 Z
1 HVertrG 93).
Zu beobachten ist auch, dass die U bisweilen den HVV schlicht und einfach dadurch
beenden, dass sie dem HV zu Saisonbeginn keine Kollektion mehr zur Verfügung
stellen. Dies ist dann nach Abmahnung durch den HV als fristlos ungerechtfertigte
Vertragsbeendigung zu werten und führt zu Schadenersatzansprüchen
des HV hinsichtlich entgangener durchschnittlicher Provisionen während
der jeweils anzunehmenden Kündigungsfrist bzw. berechtigt ihn, zur Geltendmachung
eines Ausgleichsanspruchs.