VORTRAG
gehalten von Herrn Rechtsanwalt Dr. Erich Schwarz, 5020 Salzburg,
anlässlich der Fachgruppentagung
des Salzburger Landesgremiums der Versicherungsagenten
vom 12.11.2004



Die Vorgabe seitens des Veranstalters zum Thema lautete:

„Ansprüche des Versicherungsagenten bei Beendigung des Agenturverhältnisses (Vertragsgestaltung/Anspruchsvoraussetzungen/Ausgleichsanspruch)“.

Anlässlich der Vorbereitung dieses Referates habe ich mich seit ca. 15 Jahren als Vertrauensanwalt des Gremiums der Handelsvertreter der Salzburger Wirtschaftskammer mit Fragen des Handelsvertreterrechtes, in den letzten Jahren mit Handelsvertreterrecht EU-weit und teilweise auch betreffend die neuen EU-Staaten, insbesondere Ungarn, befasst und habe die vorhandenen gesetzlichen Regelungen als ausreichend und in der Praxis ohne allzu große Probleme behaftet umsetzbar festgestellt.

Eine vertiefte Befassung mit der rechtlichen Situation des selbstständigen Versicherungsvertreters oder auch Versicherungsagenten ergibt jedoch ein anderes Bild:


I) Rechtsgrundlage des Versicherungsagentenvertrages:

Die Rechtsverhältnisse des Versicherungsagenten sind entgegen der noch zu erwähnenden ursprünglichen Absicht des österreichischen Gesetzgebers nicht in einem eigenen Versicherungsagentengesetz geregelt.
Das Maklergesetz vom 11.6.1996, BGBl 262, regelt ausschließlich die Tätigkeit des Maklers, also desjenigen, der für einen Auftraggeber ohne ständige Betrauung, ohne Tätigkeitsverpflichtung, Versicherungsgeschäfte vermittelt.
Im § 26 des Maklergesetzes ist der Begriff des Versicherungsmaklers besonders hervorgehoben.

1) Diese Bestimmung des Maklergesetzes weist interessanterweise unter anderem darauf hin, dass eine bloße Rahmenprovisionsvereinbarung mit einem Versicherer nichts an der Eigenschaft als Versicherungsmakler ändert; ebenso wenig wie eine ständige Betrauung durch den Versicherungskunden.

Die rechtliche Unterscheidung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsagenten ist für die Praxis von Wichtigkeit und für die rechtliche Zuordnung von großer Bedeutung.

Entscheidend für die Makler- oder Agenteneigenschaft des Versicherungsvermittlers ist die Stellung gegenüber dem Versicherer.
Wenn der Vermittler von einem oder mehreren Versicherern ständig betraut ist, so ist er jedenfalls Versicher
ungsagent.

Dieser deutlichen Abgrenzung zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsagent dienen auch diverse Bestimmungen in den Richtlinien des Rates der europäischen Gemeinschaft, so z.B. wird in der Richtlinie Nr. 77/92/EWG unter anderem ausgeführt:

„Wegen der Unterschiede die zwischen den Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Abgrenzung der Tätigkeiten von Versicherungsagenten und Versicherungsmaklern bestehen, ist es wünschenswert, die Tätigkeiten auf die diese Richtlinie Anwendung findet so genau wie möglich zu definieren.“

Entscheidend für den Begriff des Versicherungsagenten ist die ständige Betrauung durch den Versicherer. In diesem Fall ist das Maklergesetz nicht anzuwenden.

Von dieser ständigen Betrauung streng zu unterscheiden ist die im Maklergesetz erwähnte Rahmenprovisionsvereinbarung, die der Versicherungsmakler mit möglichst vielen Versicherern trifft. Diese Rahmenprovisionsvereinbarung besagt im wesentlichen nur, dass dem Versicherungsmakler, falls er einen Versicherungsvertrag mit dem betreffenden Versicherer vermittelt, ein bestimmter Prozentsatz der Prämie als Provision zusteht. Insbesondere trifft den Versicherungsmakler gegenüber dem Versicherer keine Tätigkeitspflicht für diesen.
Wesentlich ist sohin die Ungebundenheit des Maklers zu einzelnen Versicherern. Der Versicherungsmakler kann einen Interessenten zu allen marktteilnehmenden Versicherern vermitteln, während der Versicherungsagent letztlich immer als Vertreter eines spezifischen Versicherers fungiert, auch wenn er mit mehreren Versicherern agenturvertraglich verbunden sein kann.

2) § 26 Maklergesetz verweist von sich aus auf ein weiteres Gesetz, in dem nunmehr die Tätigkeit des Versicherungsagenten teilweise geregelt ist, nämlich auf die Bestimmungen der § 43 ff des Versicherungsvertragsgesetzes 1958 in der derzeit noch gültigen Fassung:

In den Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes findet sich zunächst in § 43 eine Definition der Marktfunktion des Versicherungsagenten und regelt die Befugnisse eines solchen betreffend die Abschlussvollmacht, Entgegennahme von Kundenerklärungen, etc.

Diese Bestimmung des § 43 und der folgenden ist mit 1.1.1995 in Kraft getreten.

In § 43 a findet sich eine Regelung über die Haftung des Versicherers für Handlung eines Versicherungsvertreters, der zwar Versicherungsmakler ist jedoch in einem „wirtschaftlichen Naheverhältnis“ zum Versicherer steht.

§ 45 regelt die Vollmacht des Versicherungsagenten zur Entgegennahme von Änderungs- oder Verlängerungsanträge, etc., § 46 Versicherungsvertragsgesetz bezieht sich auf den Bezirksvertreter und § 48 regelt die Gerichtszuständigkeit dahingehend, da für die Klagen aus dem Versicherungsverhältnis gegen Versicherer das Gericht zuständig ist, in dessen Sprengel der Agent zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages seine gewerbliche Niederlassung oder seinen Wohnsitz hatte. Es handelt sich um eine zwingende Vereinbarung.

Ansonsten finden sich über den Rahmen des Versicherungsvertragsgesetzes hinaus wesentlich nur noch in der Gewerbeordnung 2002 Bestimmungen über den Versicherungsagenten:
Aus der Gewerbeordnung ergibt sich, dass die Tätigkeit des Versicherungsagenten unter diejenigen der sogenannten reglementierten Gewerbe“ fällt, im § 137 der Gewerbeordnung finden sich darüber hinaus Regelungen, wie der Versicherungsagent in der Öffentlichkeit aufzutreten hat. Daraus ist zu entnehmen, dass der Versicherungsagent auf sämtlichen von ihm verwendeten Papieren – wohl auch im Internet – die Bezeichnung „Versicherungsagent“ zu führen hat sowie die jeweiligen Agenturverhältnisse offen zu legen hat. Weiters ist seine Gewerberegisternummer anzugeben.

Schließlich regelt § 37 der Gewerbeordnung, dass die Versicherungsagenten ihrerseits nur solche Personen bei ihrer Tätigkeit verwenden dürfen, die die zu dieser Verwendung erforderliche fachliche Eignung besitzen. Diese Eignung kann durch Verordnung geregelt werden.

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass mit Bundesgesetzblatt Nr. 410 der Nationalrat am 13.10.2004 das Bundesgesetz mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Maklergesetz, das Versicherungsvertragsgesetz und das Versicherungsaufsichtsgesetz sowie das Bankwesengesetz geändert wurden, beschlossen hat. Diese Bestimmungen treten per 15.1.2005 in Kraft.

Vorgesehen werden unter anderem der zwingende Abschluss einer Haftpflichtversicherung auch für Versicherungsagenten sowie detaillierte Regelungen der Ausübung des Geschäftes des Versicherungsagenten, Details über die vorzunehmende Beratung und deren Dokumentation, etc.

Die nähere Betrachtung dieser novellierten Bestimmungen ist einem gesonderten Vortrag vorbehalten.
3) Über die oben genannten Rechtsquellen hinaus finden sich in der österreichischen Rechtsordnung keine ausdrücklichen weiteren Regelungen. Dies erscheint insofern als verwunderlich, da der wichtige Wirtschaftsfaktor der Versicherungsagenten im Gegensatz beispielsweise zum Versicherungsmakler nicht mit einen eigenem Gesetz geregelt wird. Insbesondere das Verhältnis zwischen Versicherungsagent und Versicherung ist gesetzlich ungeregelt.

Aus den Gesetzesmaterialen, insbesondere des bis zum Jahr 1993 geltenden österreichischen Handelsvertretergesetzes, lässt sich entnehmen, dass der Gesetzgeber seit jeher die Absicht hatte, ein eigenes Gesetz für die Versicherungsagenten zu schaffen.

Aus diesem Grund fand sich sowohl in dem bis 1993 gültigen Handelsvertretergesetz (Handelsagentengesetz vom 24.6.1921) als auch in dem nunmehr gültigen Handelsvertretergesetz 1993 hier in § 28 die ausdrückliche Bestimmung, dass dieses Gesetz keine Anwendung auf die Vermittlung und Abschluss von Versicherungsgeschäft zu finden hat.

Durch diese ausdrückliche Bestimmung des Handelsvertretergesetz 1993 ist hinsichtlich der Versicherungsagenten, sieht man von den wenigen dürftigen eingangs geschilderten gesetzlichen Grundlagen ab, quasi ein rechtsfreier Raum entstanden.

Aus diesem Grunde hatte sich die Rechtssprechung zum alten Handelsvertretergesetz 1921dazu entschlossen, dieses als analog anwendbar für den Versicherungsagenten zu betrachten, und zwar mit der damaligen Begründung, dass Analogie deshalb geboten sei, weil der Gesetzgeber ein eigenes Gesetz für die Versicherungsagenten vorgesehen habe, dieses jedoch noch nicht existiere.

In Kenntnis dieser Umstände hat jedoch auch der Gesetzgeber des Jahres 1993 nochmals betont, dass das Handelsvertretergesetz nicht auf die Versicherungsagenten anzuwenden sei (legistisches Versehen?).

Zufolge dieser neuerlichen Anordnung des Gesetzgebers entstand seit dem Inkrafttreten des Handelsvertretergesetzes 1993 eine große Rechtsunsicherheit dahingehend, ob nun die Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes tatsächlich nicht auf die Versicherungsagenten anzuwenden sind.

Dazu muss grundsätzlich ausgeführt werden, dass die Tätigkeiten des Handelsvertreters im allgemeinen, also des Warenvertreters, und des Versicherungsvertreters oder Versicherungsagenten grundsätzlich von gleicher rechtlicher Konstruktion sind.

Dies ergibt sich schon aus der Definition des Begriffes der selbstständigen Handelsvertreters in § 1 des Gesetzes, wonach Handelsvertreter der ist, der von einem anderen, im folgenden Unternehmer genannt, mit der Vermittlung oder dem Abschluss von Geschäften, ausgenommen über unbewegliche Sachen, in dessen Namen und für dessen Rechnung ständig betraut ist und diese Tätigkeit selbstständig und gewerbsmäßig ausübt.

Diese Definition des Handelsvertreters kann ohne weiteres, wenn man nämlich anstelle Unternehmer „Versicherer“ und anstelle Handelsvertreter „Versicherungsagent“ auf die Tätigkeit des Letztgenannten bezogen werden bzw. dieser unterstellt werden.

Aus diesem Grund hat nunmehr erst in der erforderlichen Deutlichkeit der Oberste Gerichtshof in seinen Entscheidungen vom 19.9.2002, 8 Oba 56/02x, vom 2.10.2002, 9 Oba 81/02f, und vom 17.12.2002 , 4 Ob 264/02f, ausgesprochen, dass das Handelsvertretergesetz 1993 entgegen dem klaren Wortlaut von dessen Ausschlussbestimmung in § 28 Abs. 1 auch für selbstständige Versicherungsvertreter gilt.

Nach der Begründung dieser oberstgerichtlichen Urteile ist davon auszugehen, dass wohl sämtliche Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes, jedenfalls jedoch seine zwingenden Bestimmungen, anwendbar sind und insbesondere - dies war in allen drei Entscheidungen Inhalt des Verfahrens – die Bestimmung des § 24 des Handelsvertretergesetzes Anwendung zu finden haben, welche letztere den sogenannten Ausgleichsanspruch regeln. Weiters liegt eine Entscheidung des OGH aus 2002 vor, wonach § 25 HVertrG 93 (Konkurrenzverbot) anzuwenden ist.

Die bisherige Befassung des OGH und dessen Urteile erfolgten im gegebenen Zusammenhang der analogen Anwendung des Handelsvertretergesetztes nahezu ausschließlich zur Frage des nachvertraglichen Ausgleichsanspruches.

Im Zuge dieser Entscheidungen hat der OGH wie auch schon früher zum alten Handelsvertretergesetz ausgesprochen, dass mangels sonstiger Regelung nicht nur diese Bestimmung über den Ausgleichsanspruch analog anzuwenden ist, sondern das gesamte Handelsvertretergesetz und selbstverständlich in besonderer Weise dessen zwingende, also nicht abdingbaren, Bestimmungen.

Da der Umstand der Anwendbarkeit der sonstigen Regelungen des Handelsvertretergesetzes bislang weder dem betroffenen Wirtschaftszweig der Versicherungsagenten ausreichend bekannt ist, noch den mit dieser Materie befassten Rechtsanwendern, erscheint insbesondere vom praktischen Gesichtspunkt aus die Betrachtung zumindest der zwingenden Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes im Lichte ihrer Anwendbarkeit auf den Berufszweig des Versicherungsagenten als interessant.

Es werden zunächst die sonstigen zwingenden Bestimmungen und zum Abschluss dann die ebenfalls zwingende Bestimmung des § 24 HVertrG 93 über den Ausgleichsanspruch behandelt:


II) Zwingende Bestimmungen des Handelsvertretergesetzes:

Durch die Bestimmungen des § 27 Handelsvertretergesetzes werden insbesondere dessen §§ 9 (Abs. 2 u. 3), 12 (Abs. 1), 14, 15, 16 (Abs.1 u.2), 21 (Abs. 1 u. 3), 23, 24 und 26 (Abs.2) als zwingend bezeichnet, d.h. sie können im voraus durch Vertrag zum Nachteil des Handelsvertreters weder aufgehoben noch beschränkt werden.

Zu diesen soeben gemachten Ausführungen und auch den folgenden ist noch zu bemerken, dass sie, sieht man vom Ausgleichsanspruch ab, bis dato nicht oder noch nicht ausreichend in die Vertragsgestaltung der Versicherer Eingang gefunden haben und großteils auch noch nicht Gegenstand gerichtlicher Befassung waren.

Es soll jedoch insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss von Agenturverträgen dem Versicherungsagenten mitgeteilt sein, dass z.B. § 9 Abs. 2 zwingend vorsieht, dass der Anspruch auf Provision spätestens mit der Zahlung durch den Kunden entsteht und dass gemäß Abs. 3 der Anspruch auf Provision nachträglich nur dann entfällt, wenn der Vertrag zwischen dem Versicherungskunden und der Versicherungsanstalt nicht ausgeführt wird und dies nicht auf Umständen beruht, die von der Versicherungsanstalt zu vertreten sind.

Wichtig für die Praxis ist auch der letzte Satz dieser Bestimmung, dass bei Zahlungsverzug des Versicherungskunden die Versicherungsanstalt nachzuweisen hat, alle zumutbaren Schritte unternommen zu haben, um den Kunden zur Leistung zu veranlassen.

D.h. in der Praxis, dass abgesehen von eindeutiger Uneinbringlichkeit der Versicherer gehalten ist, rückständige Versicherungsprämien einzuklagen; sollte er dies nicht tun, er dennoch zur Zahlung von Folgeprovisionen gegenüber dem Versicherungsagenten verpflichtet ist; eine insbesondere in der Praxis im Bereich der Lebensversicherung problematische Bestimmung.

Von Bedeutung, wenngleich bislang vermutlich noch nicht geltend gemacht, ist auch die Bestimmung des § 12 Abs.1 des Handelsvertretergesetzes „Verhinderung am Verdienst“.

Behinderungen des Versicherungsagenten durch die Versicherungsanstalt die dazu führen, dass keine oder weniger Verträge abgeschlossen werden können, führen zu einer Verpflichtung der Versicherungsanstalt, diese Umstände angemessen zu entschädigen.

Eine derartige provisionsschädliche Behinderung des Versicherungsagenten durch die Versicherungsanstalt liegt z.B. darin, dass die für die Vermittlungstätigkeit erforderlichen Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt werden, dass die Versicherungsanstalt ihre Informationspflicht verletzt oder ganz allgemein ausgedrückt, dass sie den Versicherungsvertreter bei seiner Tätigkeit nicht vereinbarungsgemäß unterstützt.

Keine vertragswidrige Hinderung liegt hingegen vor, wenn die Versicherungsanstalt ein vom Versicherungsvertreter vermitteltes Geschäft nicht annimmt. Der Versicherungsanstalt steht es grundsätzlich frei, solche Geschäfte ohne Begründung abzulehnen. Geschieht dies jedoch systematisch in der beweisbaren Absicht, den Versicherungsagenten zu schädigen, kann unter Umständen ein Schadenersatzanspruch gegeben sein.

Die zwingenden §§ 14 und 15 des Gesetzes beinhalten Vorschriften über die Provisionsabrechnung, Provisionsvorschüsse und Fälligkeit der Provision.

Ebenso sind zwingend die Bedingungen des § 16 Abs.1 und 2 des Handelsvertretergesetzes, wonach das Recht auch des Versicherungsagenten besteht, einen Buchauszug zur Nachprüfung der von ihm verdienten Provisionen und unter bestimmten Voraussetzungen eine Bucheinsicht zu verlangen.

Gerade diese Bestimmung über den Buchauszug ist im Bereich des allgemeinen Handelsvertretergesetzes, also im Bereich des mit der Vermittlung von Warengeschäften tätigen Handelsvertreters von großer praktischer Bedeutung.

Speziell nach Beendigung des Handelsvertretervertrages, aus welchen Gründen immer, kann der Handelsvertreter und nach der hier vertretenen Ansicht auch der Versicherungsagent, die Vorlage eines vollständigen Buchauszuges verlangen.

Die Kriterien, was ein vollständiger Buchauszug zu enthalten hat, wurden von der deutschen Judikatur hiezu entwickelt und sind derart streng und detailliert, dass sie nahezu als Nötigung des Unternehmers bzw. im Bereich des Versicherungsrechtes der Versicherungsunternehmung bezeichnet werden können.

Es besteht ein unabdingbarer und nicht näher zu begründender Anspruch des Handelsvertreters und damit auch des Versicherungsagenten auf Erteilung eines solchen Buchauszugs, sodass ein Gerichtsverfahren darüber ohne großes Prozessrisiko für den klagenden Handelsvertreter oder Versicherungsagenten durchsetzbar ist.

Soweit mir bekannt ist, haben bislang die Versicherungsagenten nach Beendigung des Vertrages in keinem Fall von ihrem Recht auf Buchauszug Gebrauch gemacht, ich hoffe dass sich dies nach den nunmehrigen Referat in Hinkunft ändern wird.

Als zwingend werden vom Gesetz auch die Bestimmungen des § 21 Abs.1 u. 3 bezeichnet, dass sind diejenigen, über die je nach Dauer des Vertrages gestaffelt zu vereinbarenden Kündigungsfristen.

Als zwingend anzuwenden sind auch die Bestimmungen des § 23 über den Schadenersatz bei vorzeitiger Auflösung des Vertrages.

Von besonderem praktischen Interesse sind auch die jeweiligen Regelungen zu den Fragen des Konkurrenzverbotes.

Im Bereich des auch hier anzuwendenden Handelsvertreterrechts unterscheidet man zwischen einem Konkurrenzverbot während aufrechten Vertrages sowie einem nachvertraglichen Konkurrenzverbot:

Während aufrechten Vertrages ist, wenngleich im Gesetz nicht ausdrücklich statuiert, so dennoch gemäß ständiger Judikatur ausgehend von der Interessenswahrungspflicht des Versicherungsagenten vom Bestehen eines Konkurrenzverbotes auszugehen.

Dies bedeutet, dass der Versicherungsagent ohne Zustimmung und Wissen der Versicherungsanstalt mit der ein Agenturvertrag besteht, nicht weitere Agenturverträge mit anderen Versicherern abschließen kann. Erfolgt dies dennoch, so stellt dies für den Versicherer einen Grund zur fristlosen Vertragsbeendigung dar, was insbesondere zum Verlust des Ausgleichsanspruchs führt und darüber hinaus auch sonst schadenersatzpflichtig macht.

Es ist also in der Praxis zu empfehlen, dass zum einen bei Abschluss eines Agenturvertrages sämtliche bestehenden Agenturverhältnisse ausdrücklich schriftlich offen gelegt werden bzw. ist die Zustimmung, wenn möglich schriftlich, hinsichtlich bestehender Verträge bei Abschluss eines weiteren Vertrages einzuholen.

Die Judikatur ist betreffend das Konkurrenzverbot bei aufrechtem Vertrag äußerst streng.

Von diesem Konkurrenzverbot während aufrechten Bestand des Vertrages ist zu unterscheiden das nachvertragliche Konkurrenzverbot.

Hier statuiert § 25 HVertrG 93 ausdrücklich, dass eine Vereinbarung durch die der Handelsvertreter (Versicherungsagent) für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses in seiner Erwerbstätigkeit beschränkt wird, unwirksam ist.

Der Ordnung halber sei in diesem Zusammenhang noch angeführt, dass bei Abschluss eines Versicherungsagentenvertrages als Angestellter die Bestimmung des § 36 Angestelltengesetz grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Vereinbarung eines nachvertraglichen Konkurrenzverbotes vorsieht.

Das Verbot der Beschränkung nachvertraglicher Tätigkeit des Versicherungsagenten wird in der Praxis insofern bedeutsam, als im Lichte dieser Bestimmung auch die weitere Verwendung der aufgebauten Kundenbeziehungen und unter Umständen der Kundendaten, etc. von Bedeutung sind. Diese Fragen berühren auch die Bestimmungen des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, dass die Handelsvertreterrichtlinie der EU auch vorsah, dass die jeweiligen Staaten diese Frage durchaus im Sinne des eben erwähnten § 36 Angestelltengesetz regeln können, d.h. dass in der Praxis, z.B. in Deutschland, ein nachvertragliches Konkurrenzverbot für den Versicherungsagenten zulässigerweise vereinbart werden kann, nicht jedoch in Österreich. Hier hat man die schon nach dem alten Handelsvertretergesetz bestandene Bestimmung beibehalten, wonach ein nachvertragliches Konkurrenzverbot unzulässig ist.

Schlussendlich, und dazu komme ich in einem gesonderten Punkt, wird auch die Bestimmung des § 24 des Handelsvertretergesetzes als zwingend bezeichnet; es ist dies die Bestimmung über den Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses. Dazu jedoch etwas später.


III) Zur Vertragsgestaltung des Versicherungsagenten des sogenannten „Agenturvertrages“, im Lichte der obigen Ausführungen:


Die Agenturverträge der einzelnen Versicherungsanstalten in Österreich werden von diesen als strenges Geheimnis gehütet. Den einzelnen Versicherungsagenten wird darüber hinaus die Geheimhaltung besonders aufgetragen. Dennoch ist es mir möglich gewesen, in einen Agenturvertrag neuesten Datums, verfasst von einer namhaften Salzburger Versicherungsanstalt, welcher aus Anlass der Verschmelzung zwei großer Versicherungsanstalten neu verfasst wurde, Einsicht zu nehmen.

Auch ich möchte – obwohl mir eine derartige Geheimhaltungsverpflichtung selbstverständlich nicht auferlegt wurde – den Namen dieser Versicherungsanstalt nicht nennen, jedoch zur Vermeidung von Missverständnissen ausdrücklich angeben, dass es sich nicht um einen Agenturvertrag der von mir als Vertrauensanwalt vertretenen Allianz Elementar Versicherungs-AG handelt.

Der den künftigen Agenten der Versicherungsanstalt vorgelegte Vertrag gliedert sich in allgemeine Vertragsbedingungen sowie allgemeine und besondere Provisionsbestimmungen.

Soweit diese Bestimmungen hier von Interesse sind, insbesondere auch um auf die damit zusammenhängenden Gefahren hinzuweisen, erlaube ich mir in der gebotenen Kürze einzelne Bestimmungen dieses Agenturvertrages zu kommentieren:

Festzustellen ist allgemein, dass die den Versicherungsagenten vorgelegten Verträge teilweise höchst einseitige, für die Agenten nachteilige Bestimmungen enthalten, deren Gültigkeit im Sinne der Judikatur zu den sittenwidrigen oder gröblich benachteiligenden Bestimmungen fraglich ist.

So statuiert z.B. der mir vorliegende Agenturvertrag, dass die Versicherungsanstalt einseitig berechtigt ist, einzelne Vertragsbestandteile nachträglich wieder abzuändern, wobei der Nachweis der Absendung an den Agenten ausreicht.

Die neuen Vertragsbestandteile treten dann innerhalb von einem Monat nach Erhalt durch den Agenten in Kraft, soferne dieser nicht innerhalb eines Monats schriftliche Vorbehalte detailliert anmeldet.

Im Lichte der wirtschaftlichen Machtverhältnisse kommt dies letztlich darauf hinaus, dass die Versicherungsanstalt völlig einseitig die ausgehandelten Verträge wiederum ändern kann.
Interessanterweise befindet sich in dem mir vorliegenden Mustervertrag auch die Bestimmung, dass die Regelungen des Handelsvertretergesetzes zur Anwendung gelangen, allerdings nur insoweit, als sie zwingend sind.

Dieser vorliegende Vertrag aus dem Jahr 2004 hat sich daher bereits an die oben angeführte Judikatur aus dem Jahr 2002 angepasst, vermutlich jedoch ohne sich der Tragweite dieser Vertragsbestimmung bewusst zu sein.

Problematisch ist der Punkt 2.3 des Mustervertrages, wonach dem Agenten weder ein Alleinvermittlungsauftrag erteilt wird, noch ein Gebietsschutz eingeräumt wird, noch ein Kundenschutz zugestanden wird, sondern vielmehr wird es der Versicherungsanstalt gestattet, am Standort des Gewerbebetriebes des Agenten weitere angestellte oder selbstständige Vermittler einzusetzen oder auch selbst mit den Kunden des Agenten direkt Geschäfte abzuschließen, ohne dass dem Agenten daraus irgendwelche Ansprüche entstehen!
Festgehalten wird in Punkt 2.6, dass dem Agenten keinerlei wie immer geartete Rechte an den von ihm aufgebauten oder ihm zur Betreuung anvertrauten Kundenstock entstehen.

Unter den Gründen für die sofortige Auflösung des Vertrages (9.2) findet sich im vorliegenden Agenturvertrag auch ein sogenannter „Gummiparagraph“, wonach es nämlich möglich ist, den Vertrag dann fristlos aufzulösen, wenn der Versicherungsagent seinen vertraglichen Verpflichtungen trotz schriftlicher Aufforderung und angemessener Frist zur Beseitigung nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt (keine Beschränkung auf wesentliche Vertragspflichten).

Von Interesse, und zwar im Zusammenhang mit dem weiter unten zu behandelnden Ausgleichsanspruch des Versicherungsagenten ist Punkt 10.7., wonach der Agent auch nach Auflösung des Agenturvertrages den Anspruch auf Provision aus den von ihm selbst vermittelten Versicherungsverträgen, und zwar auf Abschluss und Folgeprovision weiterhin behält.

Keinen Anspruch hat der Agent nach Vertragsende auf allfällige Verwaltungsprovisionen und ähnliches.

Der Anspruch des Agenten auf Fortzahlung der Abschluss- oder Folgeprovisionen endet nach dieser Bestimmung nach Ablauf der ursprünglich vereinbarten Vertragsdauer (Punkt 10.8. problematisch im Zusammenhang mit dem Ausgleichsanspruch).

Gemäß Punkt 10.9. erlischt allerdings der Anspruch des Agenten auf jede Art von Provision, wenn ihn an der vorzeitigen Auflösung des Vertrages ein Verschulden trifft. Eine nähere Definition des Verschuldens wird nicht gegeben.

Folgerichtig wird sodann in Punkt 10.11. statuiert, dass mit der Fortzahlung der Abschluss- oder Folgeprovision auch nach Vertragsauflösung alle wie immer gearteten Ansprüche des Agenten im Zusammenhang mit einem allfälligen Ausgleichsanspruch abgegolten sind. (Fraglich im Hinblick auf § 24 HVertrG 93).


IV) Dies führt nunmehr zum letzten Teil dieses Vortrags, nämlich zum Ausgleichsanspruch des Versicherungsvertreters:

Nach der bereits eingangs zitierten Judikatur des OGH ist insbesondere die Bestimmung des § 24 HVertrG 93, also diejenige über den Ausgleichsanspruch mangels entsprechender Regelung analog auch auf den Handelsagenturvertrag des selbstständigen Handelsvertreters anzuwenden.

Ich habe diesem Vortragskonzept als Anlage auch zu Ihrer Information den Text des § 24 HVertrG 93 beigelegt.

Die genannten Voraussetzungen und Regelungen des § 24 sind sinngemäß auf die Tätigkeit des Versicherungsagenten umzulegen.

Zunächst ist – weil diese Bestimmung einfach zu kommentieren ist – auf die Regelung des Abs. 3 einzugehen; demnach besteht ein Ausgleichsanspruch für den Versicherungsagenten dann nicht, wenn er selbst das Vertragsverhältnis gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat, es sei denn, dass der Handelsvertreter den Vertrag aus der Versicherungsanstalt zurechenbaren Umständen beendet hat oder aber die Beendigung erfolgte durch den Versicherungsagenten, weil ihm eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen Alters, Krankheit oder Gebrechen nicht mehr zugemutet werden kann.

Grundsätzlich verliert der Versicherungsagent den Anspruch bei Selbstkündigung, wobei es jedoch die dargestellten Ausnahmebestimmungen gibt.

Weiters entfällt der Ausgleichsanspruch, wenn das Versicherungsinstitut das Agenturverhältnis wegen eines schuldhaften wichtigen Verhaltens des Versicherungsagenten gekündigt oder vorzeitig aufgelöst hat und schließlich, wenn der Versicherungsagent im Zusammenhang mit der Vertragsbeendigung mit Zustimmung der Versicherungsanstalt seine vertraglichen Rechte und Pflichten an einen Dritten, also an einen Nachfolger, überbindet.

Im letzteren Fall wird davon ausgegangen, dass sich der Versicherungsagent den Ausgleichsanspruch von seinem Nachfolger ablösen lässt.

Die allgemeinen Voraussetzungen dafür, dass ein Ausgleichsanspruch überhaupt entstehen kann, sind drei die jeweils kommulativ vorliegen müssen (§ 24 (1) HVertrG 93).

1) Es ist Voraussetzung, dass der Versicherungsagent der Versicherungsanstalt neue Kunden zugeführt hat oder bereits bestehende Geschäftsverbindungen wesentlich erweitert hat.

Entgegen der ausdrücklichen Regelung des deutschen Handelsgesetzbuches ist nach dem Wortlaut der österreichischen Regelung in § 24 Voraussetzung für den Ausgleichsanspruch und Berechnungsgrundlage nicht der bloße Neuabschluss mit einem bereits bestehenden Altkunden, sondern die Werbung eines Neukunden, also eines Versicherungskunden der bislang der Versicherung mit dieser Versicherungsanstalt noch keinen Vertrag hatte.

Wird jedoch das Vertragsvolumen mit einem bestehenden Versicherungskunden derartig gesteigert und intensiviert, dass es der Werbung eines Neukunden wirtschaftlich gleich kommt, so kann auch ein Altkunde ausgleichsrelevant sein.

2) Weitere Voraussetzungen des Ausgleichsanspruches ist, dass zu erwarten ist, dass die Versicherungsanstalt aus den vermittelten Versicherungsverträgen auch nach Auflösung des Vertrages mit dem Versicherungsagenten erhebliche Vorteile ziehen kann, insbesondere als anzunehmen ist, dass die bestehenden Versicherungsverträge bzw. die vereinbarten Prämien vom Kunden auch weiterhin bezahlt werden bzw. dass dieser nach Vertragsablauf auch bereit ist, einer Verlängerung zuzustimmen.

Bei neu geworbenen Geschäftskunden, also insbesondere Firmen, können weitere bestehende Vorteile für die Versicherungsanstalt auch in der Form denkbar sein, dass der Kunde neue Verträge in anderen Versicherungssparten abschließt, die bisher bei einer anderen Anstalt eingedeckt waren.

3) Die dritte Voraussetzung ist schließlich, dass dem Versicherungsagenten durch die Vertragsauflösung alle Provisionsansprüche mit den von ihm geworbenen Kunden entgehen.

Derartige Provisionsverluste sind insbesondere dann gegeben, wenn der Versicherungsagent im Agenturvertrag auf nachvertragliche, insbesondere Folgeprovisionen, verzichtet, wie dies vielfach üblich ist.

Auch wenn der Versicherungsagent auf nachvertragliche Folgeprovisionen nicht verzichtet, ist ein allerdings eingeschränkter Ausgleichsanspruch denkbar. Hiezu liegt jedoch derzeit eine Judikatur nicht vor.

Durch die Beendigung des Agenturvertrages entgehen dem Versicherungsagenten in Hinkunft auch Provisionen für Folgegeschäfte mit den von ihm akquirierten Kunden abgeschlossen werden, hiefür stellt der Ausgleichsanspruch eine angemessene Entschädigung dar.

Die Höhe des Ausgleichsanspruchs bemisst sich nach einem relativ komplizierten Berechnungsverfahren, wobei zunächst ein sogenannter Rohausgleichsbetrag berechnet wird, der sich unter Heranziehung der Provisionen der zugeführten Neukunden sowie der gesteigerten Altkunden des letzten Vertragsjahres errechnet, wobei dieser Rohausgleichsbetrag für weitere vier Jahre unter Annahme einer durchschnittlichen Kundenfluktuation und einer Abzinsung berechnet werden soll. Diese Berechnungsmodalitäten sind jedenfalls im Bereich des eigentlichen Handelsvertretergesetzes, also im Bereich des Warenvertreters üblich und nach neuerer Judikatur auch anwendbar.

Inwieweit diese grundsätzlich im einzelnen auch auf den Versicherungsagenten übertragen werden können ist fraglich und höchst schwierig, da zur Höhe der Berechnung des Ausgleichsanspruchs des Versicherungsagenten noch keine oberstgerichtliche Judikatur in Österreich vorliegt.

Zu verweisen ist zu all diesen Fragen auf den ausgezeichneten Aufsatz von Dr. Michael Nocker in der Februar-Ausgabe 2004 der wirtschaftsrechtlichen Blätter (WBl).

Nach oben wird der Ausgleichsanspruch mit einer durchschnittlichen Jahresprovisionssumme, berechnet aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre oder der tatsächlichen Vertragsdauer, begrenzt, wobei hier allerdings sämtliche vom Versicherungsagenten bezogenen Provisionen, also auch solche für Verwaltungstätigkeiten, etc. und auch betreffend Altkunden, einzubeziehen sind.

Allgemein gesagt, hat der Versicherungsagent daher Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichs in Höhe von max. einer durchschnittlichen Jahresprovision.

Zu erwähnen ist noch abschließend, dass der Ausgleichsanspruch auch im Falle des Todes des Handelsvertreters während aufrechten Vertragsverhältnisses weiter besteht und daher von seinen Erben gegenüber der Versicherungsanstalt geltend gemacht werden kann.

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der Ausgleichsanspruch binnen eines Jahres nach Vertragsbeendigung vom Versicherungsagenten angemeldet werden muss, innerhalb weiterer zwei Jahre, also insgesamt innerhalb von drei Jahren ab Beendigung, verjährt der Ausgleichsanspruch endgültig.