VORTRAG

RA Dr. Erich SCHWARZ


"Das ungarische HANDELSVERTRETERGESETZ
Nr. CXVII von 2000 im Detailvergleich"

mit dem österreichischem Handelsvertretergesetz, mit der Richtlinie und den übrigen europäischen handelsvertreterrechtlichen Regelungen



I) EINLEITUNG:

In Ungarn wurde die Richtlinie des Rates vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbstständigen Handelsvertreter mit dem Gesetz Nr. CXVII vom Jahr 2000 umgesetzt.
Das Gesetz trat spätestens zum Jahresende 2000 in Kraft und ist ab 1.1.2003 auch auf Altverträge anzuwenden.

Eine aktuelle Judikatur, insbesondere eine höchstgerichtliche dazu, ist in Ungarn – soweit ausführliche Recherchen ergeben haben – noch nicht vorhanden.
Dies rührt teilweise neben der relativ kurzen verstrichenen Zeit, seit dem Inkrafttreten des Gesetzes auch daher, dass die wirtschaftlich-rechtliche Funktion des Handelsvertreters an sich wegen der bis etwa Ende der 80iger Jahre des vorigen Jahrhunderts bestandenen Zentral- und Planwirtschaft in Ungarn keine besondere Bedeutung hatte.

Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Nr. CXVII über den selbstständigen Handelsvertretungsvertrag galten keine speziellen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der Handelsvertretungen. Die Gesetzesverordnung Nr. 8 vom Jahre 1978 über die Anwendung des Zivilgesetzbuches der Republik Ungarn auf die Außenwirtschaftsbeziehungen enthielt ein Kapitel über die Handelsvertretung. Diese Bestimmungen waren jedoch nur dann maßgebend, wenn eine der Vertragsparteien ein Ausländer war.

Im „Titel II“ der vor 2000 gültigen Gesetzesverordnung waren in den §§ 19 bis 40 einige Bestimmungen über Handelsvertretung enthalten. Ein Ausgleichsanspruch oder ähnliches war nicht vorgesehen.

Derzeit, insbesondere aufgrund der sich schlagartig intensivierenden Wirtschaftskontakte mit den übrigen europäischen Ländern im Anschluss an den EU-Beitritts Ungarns per 1.5.2004, wird die Person und Einrichtung des selbstständigen Handelsvertreters zum vertrauten Wirtschaftslenkungsfaktor auch in Ungarn und wird sich daher auch in absehbarer Zeit eine Rechtssprechung entwickeln.

Die vorliegende Arbeit kann sich daher nur auf die spezifische Untersuchung und Betrachtung des neuen Gesetzes über den selbstständigen Handelsvertretervertrag beschränken um zum einem die Umsetzung der Richtlinie des Rates zu überprüfen und zum anderen - soweit in einzelnen Regelungen von Interesse – signifikante Abweichungen von den Regelungen der übrigen EU-Staaten feststellen.

Im nachfolgenden Teil II dieser Arbeit, werden die einzelnen Bestimmungen des ungarischen Handelsvertretergesetzes, dem Aufbau desselben folgend, näher betrachtet.

Soweit im nachfolgenden Aussagen zum ungarischen Handelsvertretergesetz gemacht werden, wird dieses als „Gesetz“ ohne nähere Anführung bezeichnet.

Nachstehende Begriffe werden wie folgt abgekürzt:

Die EU-Richtlinie von 1986 mit: RL
der Handelsvertreter mit: HV
und dessen Partner der Unternehmer mit: U.
das österreichische Gesetz: HVertrG 93

II)

1.“Geltungsbereich des Gesetzes“:
1.1. Begriffsdefinition des selbstständigen Handelsvertreter:
Wie der Text in § 1 Abs. 2 zeigt, definiert sich der Handelsvertreter unter anderem als Vermittler von Geschäften über Kauf und Verkauf von Waren, einschließlich der möglichen Abschlussvollmacht, wobei – hier könnte ein legislativer Fehler des ungarischen Gesetzgebers vorliegen – Handelsvertreter auch derjenige ist, der diese Geschäfte „ a u c h i m e i g e n e n N a m e n z u g u n s t e n d e s A u f t r a g g e b e r s „ tätigt.

Diese höchst eigenwillige Definition, dass nämlich Handelsvertreter auch derjenige ist, der im eigenen Namen abschließt – allerdings auf Rechnung des Auftraggebers – ist von der Vorgabe des Artikel 1 der RL nicht umfasst.

Auch das österreichische Handelsvertretergesetz 93 sieht keinesfalls vor, dass der Handelsvertreter nach außen hin im eigenen Namen tätig werden kann.

Die Betrachtung der übrigen europäischen handelsvertreterrechtlichen Regelungen zeigt, dass es diesbezüglich zwei weitere Abweichungen von der Richtlinie gibt, dies ist einerseits Italien und andererseits Spanien.

• Im italienischen Artikel 1742 des Codice zivile definiert sich der HV lediglich dadurch, u.a. dass er „für Rechnung der anderen Partei“ den Abschluss von Verträgen fördert; es ist also kein Bezug auf eine Deklaration nach außen ersichtlich;
• Das spanische Gesetz von 1992 gibt dem HV die Möglichkeit „entweder für fremde Rechnung oder aber sowohl für fremde Rechnung als auch in fremden Namen“ tätig zu werden.

Es wird daher von einigen wenigen Ländern offenbar unterschieden zwischen einer offen und einer verdeckten Handelsvertretung, letztere im eigenen Namen, jedoch auf fremde Rechnung.

Der Gegenstand der handelsvertreterlichen Tätigkeit ist im ungarischen Gesetz zunächst restriktiv auf den Kauf bzw. Verkauf von Waren eingeschränkt;
in Absatz 5 des § 1 jedoch sodann auch auf Dienstleistungen, Wertpapiere und Börsengeschäfte, schließlich völlig generell, auf einen „verkehrsfähigen Wert“ ausgedehnt.

Der österreichische Gesetzgeber definiert noch allgemeiner, jedoch nicht orientiert am Gegenstand des Geschäftes, sondern subsumiert unter die Tätigkeit des HV ganz generell den „Abschluss von Geschäften“ und nimmt lediglich diejenige über unbewegliche Sachen aus.

• Das französische Recht, ursprünglich im Gesetz vom 25.6.1991 und nunmehr in Code de Commerce in den Artikeln L134/1 bis L134/17 geregelt, definiert die Tätigkeit des Handelsvertreters als eines mit „Verkaufs-, Kauf-, Miet- oder Dienstleistungsverträgen bzw. mit deren Vermittlung und allenfalls Abschluss Beauftragtem.

Die weiters folgenden Bestimmungen des Gesetzes in §§ 2 und 3 können als mit der RL und den übrigen europäischen Handelsvertretergesetzen im wesentlichen übereinstimmend übersprungen werden.

2) Von Interesse ist wiederum die Regelung des § 4
„Form des Vertrages“:


Hier sieht der ungarische Gesetzgeber vor, dass „zur Geltendmachung“ des HV-Vertrag dessen schriftliche Abfassung zwingend notwendig ist.

Diese Regelungsmöglichkeit wird durch Artikel 13 Abs. 2 der RL eröffnet. Die RL sieht in diesem Zusammenhang zwei Möglichkeiten vor, und zwar einerseits die Verpflichtung zur Herstellung einer (unterzeichneten) Urkunde oder aber – wie im Fall des ungarischen Gesetzes – die Statuierung der Ungültigkeit mündlicher Handelsvertreterverträge.

Aus gutem Grunde haben fast alle europäischen Regelungen die Variante 1 gewählt, also den Anspruch des Handelsvertreters statuiert eine Urkunde fordern zu dürfen die den Inhalt des Vertrages festlegt, teilweise unterzeichnet, teilweise nicht unterzeichnet.

• Lediglich der finnische Gesetzgeber vom 8.5.1992 hat sich für eine Mischform entschieden: „Der Vertretungsvertrag bedarf der Schriftform, falls dies von einer Vertragsseite gefordert wird“;
• Der italienische Gesetzgeber des Codice zivile statuiert: „Der Vertrag muss in Schriftform vorliegen. Jede Partei hat das Recht von der anderen Partei ein von dieser unterzeichnetes Dokument zu erhalten“.

Der österreichische Gesetzgeber hat in § 4 HVertrG 93 die beiderseitige Verpflichtung der Vertragspartner statuiert, eine unterzeichnete Urkunde über den Vertragsinhalt zu verschaffen.

Die Problematik der von der RL eröffneten Regelungsmöglichkeit ist darin begründet, dass hier offenbar die Ansicht vertreten wird, bei Nichtbefolgung des Schriftformgebotes komme überhaupt kein HV-Vertrag zustande.

Dem praktischen Rechtsanwender eröffnen sich aufgrund dieser eigenwilligen Regelung durch die RL eine Fülle von Rechtsproblemen dahingehend, was in diesen Fällen bei – wie dies durchaus üblich ist - bloß mündlich abgeschlossenen HV-Verträgen sein soll. Es wird in diesen Fällen wohl nicht angehen, dass der HV beispielsweise mangels gültigem Vertrag unentgeltlich tätig wird, seine dennoch vorhandenen Entgeltansprüche werden sich sodann jedoch mangels gültigem Vertrag auf andere Rechtsfiguren, wie insbesondere bereicherungsrechtlich – stützten müssen, was unabsehbare Feststellungsprobleme mit sich bringt.

3) In § 5 werden sodann die
„Pflichten des Handelsvertreters“ geregelt.

An dieser Stelle muss eine Zwischenbemerkung zweckmäßigerweise eingeschoben werden.

Die beim Verfasser dieser Arbeit vorliegende Ausgabe des ungarischen HVertrG in deutscher Fassung wurde der Internetadresse www.commercial-agent.at entnommen.
Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine autorisierte Übersetzung des ungarischen Original-Textes handelt.

Zurückkehrend zum § 5 ist allerdings festzustellen, dass die darin enthaltenen Formulierungen für den vom österreichischen Gesetzgeber verwöhnten Rechtsanwender als schwammig und ungenau empfunden werden. Wohingegen der österreichische Gesetzgeber in § 5 HVertrG 93 auf die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hinweist, bemüht der ungarische Gesetzgeber eine „in der gegebenen Situation im allgemeinen zu erwartende Sorgfalt“.

Die RL definiert hier schon eleganter dahingehend, dass der HV die Interessen des U. (Unternehmer) wahrzunehmen hat und sich nach den „Geboten von Treu und Glauben“ zu verhalten hat.

• Die deutsche Formulierung beschränkt sich auf die „Wahrung der Interessen des Unternehmers“, der französische Gesetzgeber verpflichtet den HV zur „Loyalität“, er erteilt ihm den Auftrag „fachmännisch“ vorzugehen.

• Der italienische Gesetzgeber definiert elegant die Verpflichtung des HV „die Interessen des U. wahrzunehmen und redlich und in gutem Glauben zu handeln“.

4) In § 6 des ungarischen Gesetzes statuiert der Gesetzgeber zunächst die Verpflichtung des HV, vor Abschluss des Vertrages den U. davon zu informieren, dass er mit einem anderen Unternehmer einen HV-Vertrag mit ähnlichem Gegenstand abgeschlossen hat, während der Dauer des HV-Vertrages darf der HV nur mit schriftlicher Zustimmung des U. einen HV-Vertrag mit ähnlichem Gegenstand abschließen.

Diese Bestimmung erscheint aus dem Blickwinkel des praktischen Rechtsanwenders durchaus sinnvoll, weil es in diesem Zusammenhang bekanntlich häufig zu Problemen kommt, die dann zu fristlosen Kündigungen und zum Verlust des Ausgleichsanspruches führen können.

5) Im folgenden § 7
„Pflichten des Auftraggebers“

folgt das Gesetz der RL und trifft teilweise wörtlich mit dem österreichischen HVertrG 93 übereinstimmende Regelungen.

6) In den folgenden §§ 8 u. 9 unterscheidet der ungarische Gesetzgeber der RL folgend zwischen
Vergütung und Provision.

Der Provisionsanspruch wird, wie auch im österreichischen Gesetz, an die Kausalität der Tätigkeit des HV geknüpft.

Es finden sich auch Regelungen bezüglich des Alleinvertreters und betreffend Provisionsansprüche aus Direktgeschäften.

Eigenwillig und nahezu unverständlich ist die Regelung des § 9 Abs. 1 lit.b, wonach eine Provisionsberechtigung des HV besteht, wenn „der Vertrag mit einer durch ihn früher zu einem Geschäft mit ähnlichem Charakter als Partei gewonnenen Person abgeschlossen wurde“.

Abgesehen von der offenbar durch eine nicht ordentliche Übersetzung des ungarischen Originaltextes verursachten Problematik dürfte hier sinngemäß ein Provisionsanspruch dann angenommen werden, wenn jemand mit dem U. direkt ein Geschäft abschließt, wobei dieser Dritte schon früher mit dem HV ein ähnliches Geschäft (für diesen oder einen anderen Unternehmer?) abgeschlossen hat.

7) Die weiteren Regelungen der §§ 10 und 11 sind als RL konform zu übergehen (Nachhang: Provisionsregelung zwischen verschiedenen HV, Inkassoprovision, etc.)

§ 12 enthält eine dem § 9 HVertrG 93 vergleichbare Regelung hinsichtlich der Entstehung des Provisionsanspruches.

Die in § 10 HVertrG 93 enthaltenen detaillierten Regelungen über die Höhe der Provision, insbesondere betreffend Nachlässe bei Barzahlung, Nebenkosten, etc. finden sich im ungarischen Gesetz nicht, allerdings auch nicht in der RL.

8) In § 13 des Gesetzes sind Regelungen über die Abrechnung enthalten, insbesondere wird hier das Recht des HV statuiert,
einen Buchauszug zu verlangen.

Dieses Recht auf Buchauszug ist in Deutschland schon seit langem und auch in Österreich bei gerichtlicher Geltendmachung der Ansprüche des HV von besonderer praktischer Bedeutung insofern, als in Österreich seitens der Rechsprechung seit einigen Jahren die Stufenklage auch für den HV zugelassen ist.

Es stellt dies ein überaus elegantes Mittel, noch dazu nahezu ohne jedes Prozesskostenrisiko dar, Klagen gegen den Unternehmer im Zusammenhang mit rückständigen Provisionen, Ausgleichsanspruch, etc. erfolgreich durchzusetzen.

Das in der RL und auch im österreichischem Gesetz als möglich eingeräumte zusätzliche Recht auf Bucheinsicht – in Österreich ein subsidiäres Recht – ist im ungarischen Gesetz nicht enthalten, wobei aus der Erfahrung des gerichtlichen Rechtsanwenders gesagt werden kann, dass diese Möglichkeit wenig praktische Bedeutung hat.

• Eine gleichlautende Regelung findet sich im italienischen HV-Recht, nicht jedoch beispielsweise im französischem.

9) § 14 des Gesetzes sieht Regelungen über den geographischen und kundenorientierten Tätigkeitsbereich vor und räumt die Möglichkeit eines Alleinvertretungsanspruches ein.

In § 15 sind allgemeine Bestimmungen über die Vertragsdauer enthalten, welche nicht näher zu kommentieren sind.

10) Interessant ist wiederum die Bestimmung des § 16

„Kündigung des Vertrages“:

Hier legt das Gesetz zunächst fest, dass „die Kündigung insofern zu begründen ist, dass das Recht auf Ausgleich festgestellt werden kann“.

Der Sinn dieser Bestimmung kann bestenfalls erahnt werden. Gemeint ist offenbar, dass in die Kündigungserklärung ausgleichserhaltende (HV) bzw. ausgleichsanspruchsvernichtende Gründe aufzunehmen sind.

Eine derartige Bestimmung fehlt sowohl im österreichischen als auch beispielsweise im deutschen, italienischen und französischen HV-Recht.

Die deutsche und damit übereinstimmende österreichische Judikatur sieht allerdings vor, dass derartige Gründe, beispielsweise im Verfahren wegen hv-rechtlichem Ausgleichsanspruch „nachgeschoben“ werden können.

RL-konform, jedoch anders als im österreichischen Recht, wird die maximale Kündigungsfrist mit drei Monaten festgelegt (Deutschland: 6 Monate, Frankreich: 3 Monate, Italien: 6 Monate).

• Im Gegensatz zur ausdrücklichen Vorschreibung in Artikel 15 der RL und auch im Gegensatz zu allen übrigen europäischen HV-rechtlichen Regelungen sieht das ungarische Gesetz die Wirkung der Kündigung zum ersten Tag des Kalendermonats vor!?

11) Unter § 17 und der Überschrift
„Vertragsverletzung“

regelt das ungarische Gesetz die fristlose Vertragsbeendigung. Schon allein die optische Betrachtung dieser Regelung, die auf vier Zeilen Platz findet, zeigt, dass der ungarische Gesetzgeber hier nicht allzu großen legislativen Fleiß aufgewendet hat.

Während die RL neben der Pflichtenverletzung noch „außergewöhnliche Umstände“ als sofortigen Beendigungsgrund vorsieht, beschränkt sich der ungarische Gesetzgeber auf die grobe Pflichtenverletzung und verweist hinsichtlich der Rechtsfolgen auf das ungarische Bürgerliche Gesetzbuch.

Die Betrachtung des § 22 des österreichischen HVertrG 93, gegliedert in drei Absätzen und mehrere Punkte, erscheint vom gesetzgeberischen her deutlich höher bewertbar.

Insbesondere fehlt in der ungarischen Regelung der Umstand der Unfähigkeit des Handelsvertreters zur Ausübung seiner Tätigkeit, die Konkurseröffnung, etc..

Der Detailvergleich mit den übrigen europäischen Handelsvertretergesetzen zeigt ähnlich kursorische Lösungen im französischen Recht („schwerer Fehler der Partei oder höhere Gewalt“), das italienische Gesetz sieht eine außerordentliche Kündigung überhaupt nicht vor; interessanterweise ist auch die
• deutsche Regelung, wenn gleich vorhanden, so doch in § 89a HGB keinesfalls mit der vorbildlichen, detaillierten Regelung des österreichischen Gesetzes vergleichbar.



12) Im § 18 regelt das ungarische Gesetz den - für die Praxis von besonderer Bedeutung
- A u s g l e i c h s a n s p r u c h :

Die RL sieht bekanntlich zwei Möglichkeiten des jeweiligen nationalen Gesetzgebers vor, nämlich den nach deutschem Vorbild konstruierten Ausgleichsanspruch oder dessen französische Variante als Schadenersatzanspruch.

• Ungarn hat sich für die erste Variante entschieden. Die ungarische Regelung übernimmt zunächst die Vorgabe des Art. 17 Abs. 2 der RL, im Detailvergleich erreicht die Regelungsgenauigkeit und Präzision jedoch keinesfalls das Niveau des österreichischen oder deutschen Gesetzes.

Insbesondere erscheint die Beschränkung auf den „bedeutenden Gewinn“ des Unternehmers als Anspruchsvoraussetzung unhandlich, vergleicht man mit den „erheblichen Vorteilen“ der deutschen und österreichischen Regelung.

Während die österreichische und deutsche Regelung zur Höhe des Ausgleichsanspruchs, ausgenommen die Definition des Höchstbetrag mit dem Jahresdurchschnitt, keine expliziten Vorschriften macht und nach der deutschen und österreichischen Judikatur die Berechnung des Ausgleichsanspruchs zweistufig, insbesondere mit Rohausgleichsberechnung erfolgt, in die als Komponenten insbesondere die Vorteile des Unternehmers aus der Neukundenzuführung und die Provisionsverluste des Handelsvertreters einfließen, weiters das Moment der Billigkeit beschränkt der ungarische Gesetzgeber die Berechnungsparameter in § 18 Abs. 3 auf die Provisionsverluste des HV.

Dies ergibt sich daraus, dass die sowohl in der deutschen als auch in der österreichischen Regelung enthaltene Formulierung „wenn und soweit“, welche die Unternehmervorteile als zu messenden Ausgleichsanspruchsparameter festlegt, im ungarischen Gesetz zur Gänze fehlt.

Es wird also nach dem ungarischen Gesetz schwierig sein, die in Österreich und Deutschland übliche Rohausgleichsberechnung unter Einbeziehung der Provision des letzten Vertragsjahres mit den Neukunden bzw. gesteigerten oder aktivierten Altkunden zugrunde zu legen.

13) In § 19 regelt das Gesetz diejenigen Fälle, die zu einem

Ausgleichanspruchsverlust des HV

führen. Auch hier ist die Lösung im Detailvergleich beispielsweise mit dem österreichischen Gesetz eher als kursorisch und unvollständig zu bezeichnen. Der Ausgleichsanspruch entfällt hier in jedem Fall, wenn der Auftraggeber den Vertrag „wegen einer Vertragsverletzung“ des HV fristlos gekündigt hat.

Die österreichische Regelung, dass es sich um eine verschuldete, schwere (§ 22) Vertragsverletzung handeln muss, dass jedoch auch eine fristwahrende Kündigung, sofern sie aus wichtigem Grund erfolgt, ebenfalls zum Verlust des Ausgleichsanspruches führt, ist unter die ungarische Bestimmung nicht zu subsumieren. Dem Text des ungarischen Gesetzes nach, würde daher jedwede auch unverschuldete Vertragsverletzung zur fristlosen Kündigung des HV berechtigen und damit zum Ausgleichsanspruchsverlust.

Auch die sonstigen Formulierungen in § 19, also beispielsweise die Einschränkung auf den Kündigungstatbestand in § 19 lit.b oder die Definition eines „Verhaltens“ des Auftraggebers, erscheint unbefriedigend.

Der österreichische Gesetzgeber spricht hier, also weit über ein bloßes Verhalten hinaus, von „zurechenbaren Umständen“, wenngleich hinzugefügt werden muss, dass auch der deutsche Gesetzgeber von einem „Verhalten“ spricht.


14) In § 21 findet sich eine, in den übrigen Gesetzen nicht auffindbare Bestimmung über den Ausschluss der Anfechtung einer nach Vertragsende geschlossenen, vergleichsweisen Einigung aus dem Titel des Irrtums über die verbleibenden Vorteile des U., also eine prozessvermeidende Regelung.



3) An dieser Stelle ist angebracht, einen kurzen Blick auf einige der übrigen europäischen Regelungen, im Zusammenhang mit dem Ausgleichsanspruch, zu werfen:

Die deutsche als vorbildlich zu bezeichnende Regelung, darf in diesem Rahmen als bekannt vorausgesetzt werden, insbesondere auch deshalb, weil sich die österreichische höchstgerichtliche Rechtsprechung großteils auf die Judikatur des BGH bezieht.

3.1. Der italienische Gesetzgeber hat die RL durch Einfügen in den Artikel 1751 des Codice zivile nach Novellierung 1999 der zunächst verunglückten Fassung 1991, formal vorbildlich umgesetzt.

Bei der Umsetzung wurde jedoch verabsäumt, die im deutschen und österreichischen Gesetz enthaltenen Worte „wenn und soweit“, wie sie die RL in Artikel 17 Abs. 2 a als bestimmenden Faktor für die Höhe des Ausgleichsanspruchs vorsieht, in die italienische Regelung aufzunehmen.

Das Kriterium der Billigkeit wurde damit in der italienischen Umsetzung zum alternativen Tatbestandsmerkmal und der in der RL enthaltene Maßstab, „wenn und soweit“ der den Tatbestandsmerkmalen eine Doppelfunktion kommulativer Art zuschreibt, entfiel gänzlich.

Die Rechtslage vor der Umsetzung der EG-RL war in Italien derart, dass der HV grundsätzlich Anspruch auf Abfindung hatte, und zwar unabhängig von der Neukundenwerbung, etc., sowie von allfälligen verbleibenden Vorteilen des U., über die Höhe dieser Abfindung wurde durch Accordi Economici Collettivi (Wirtschaftskollektivverträge) eine Regelung getroffen.

Die an die Durchführung der EU-RL im Jahre 1991 in Italien anschließende Spruchspraxis hielt die Fassung des Artikel 1751CC (1991) für nicht anwendbar, da jegliches Kriterium zur konkreten Bemessung der Höhe des Ausgleichs fehlte. Unter anderem aus diesem Grunde verabschiedeten die beteiligten Wirtschaftsverbände im Herbst 1992 die sogenannte „accordi ponte“. Diese setzten beim unbestimmten Rechtsbegriff „Billigkeit“ an.

Dies bedeutete eine Rückkehr zum alten, vor der Einführung des europäischen Rechtes in Italien bestandenen voraussetzungslosen Systemsausgleichs nach dem Gießkannenprinzip.
Es kam in den Folgejahren zu nicht generell bedingten Einzelfallentscheidungen, die ausschließlich vom Kriterium der Billigkeit ausgehen, (beispielsweise 32,5 % der Jahresprovision, errechnet aus dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre), so z.B. das Urteil der Pretura di Forli vom 17.2.1997.

Im Hinblick auf diese Konfusion der Rechtsprechung in Italien leitete die Kommission am 26.9.1996 ein Vertragsverletzungsverfahren ein, worauf der italienische Gesetzgeber durch das Gesetz Nr. 65 vom 15.2.1999 den Artikel 1751 erneuerte und sind seither die Tatbestandsvoraussetzungen „Unternehmervorteil“ und „Billigkeit“ auch nach italienischem Recht kommulativ und nicht alternativ vorliegend.

Nach wie vor fehlt jedoch das wichtige Berechnungskriterium, nämlich die Worte „wenn und so weit“ im italienischen Gesetzestext.

Diese genannte Gesetzesänderung hatte jedoch auf die italienische Rechtsprechung keine wesentliche Auswirkung.

Diese judiziert nach wie vor auf der Basis eines nicht näher überprüfbaren Billigkeitssystems.

Die neueste italienische Rechtsprechung sieht nunmehr vor, dass ein Teil des Ausgleichsanspruchs als Mindestausgleich gezahlt wird, während ein anderer leistungsbezogener Teil für den Fall geschuldet wird, dass der HV dem U. gegenüber nachweist, dass er diesem Neukunden verschafft oder den Umsatz mit Altkunden merklich erhöht hat.

Das auf den umgesetzten Bestimmungen der RL basierende HV-Recht hat in Italien – wie oben schon ausgeführt - hinsichtlich des Ausgleichsanspruches eine Rechtsgrundlage, jedoch nicht nur im Codice zivile, sondern auch in den sogenannten Accordi Economici Collettiva (AEC). Es handelt sich um Tarifverträge der beteiligten Wirtschaftsverbände. Nach diesen AEC die zuletzt 2002 geändert wurden, steht einem in Italien ansässigen HV beispielsweise praktisch in jedem Fall bei Vertragsbeendigung eine Abfindung (indennità di fine rapporto) zu.
Dies gilt anders als im deutschen Recht, beispielsweise auch im Fall der Eigenkündigung durch den HV selbst. Diese Abfindung bemisst sich in erster Linie nach den während der gesamten Vertragslaufzeit verdienten Provisionen. Lediglich ein ganz geringer Anteil dieser Abfindung hat zur Voraussetzung, dass der HV nachweist, dass er dem Unternehmer neue Kunden zugeführt hat bzw. den Umsatz mit Altkunden erweitert hat, wie dies aus dem deutschen und österreichischen Recht bekannt ist.
Damit stehen die AEC sowohl in einem gewissen Konflikt zu den Vorgaben der EU-HV-RL und zum Codice zivile, was dazu führt, dass im Einzelfall geprüft werden sollte, ob der deutsche Exporteur die Anwendung der AEC akzeptieren oder deren Unvereinbarkeit mit höherrangigem Recht rügen sollte.


3.2. In Frankreich
ist der HV rechtliche Ausgleichsanspruch nunmehr in Artikel 134-12 Code de Commerce (früher Art. 12 des Gesetzes vom 25.6.1991) als eine ausgleichende Entschädigung für die erlittenen Nachteile geregelt. („Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden“).

Damit hatte der französische Gesetzgeber bei Umsetzung der EU-RL im Jahre 1991 die bereits nach altem französischem HV-Recht bestehende „Schadenersatzlösung“ übernommen. Diese Option wurde durch Artikel 17 Abs. 3 der RL eröffnet.

Der „Entschädigungsanspruch“ definiert sich daher als Anspruch auf eine Abfindungssumme als Wiedergutmachung für den erlittenen Schaden des HV.
Dieser Entschädigungsanspruch soll den aufgrund der verlorenen Marktstellung entstandenen Schaden ersetzen.

Er umfasst als Schadenersatzanspruch nicht nur Provisionsverluste, sondern auch Verluste für nicht erfolgte Amortisation von Kosten und Aufwendungen und alle weiteren Einbußen, deren Höhe der HV zu beziffern in der Lage ist und welche auf die Vertragsbeendigung zurückzuführen sind. Eine Beschränkung des Entschädigungsanspruches auf den Jahresdurchschnittsbetrag während der letzten fünf Jahre der in diesem Zeitraum realisierten Provisionen existiert nicht. Die Rechtsprechung in Frankreich billigt dem HV in der Regel den Jahresverdienst für die letzten zwei Jahre als Entschädigungshöhe zu.
In der Praxis ist im Vergleich zur deutschen und österreichischen Judikatur, in Frankreich daher von einer mehr als zweijährigen Höchstgrenze auszugehen. Dem zufolge ist dem HV grundsätzlich anzuraten, bereits im Vertrag die Geltung des französischen Rechts auszubedingen. Ein zweijähriger Jahresverdienst wird selbst dann als Entschädigungshöhe angemessen erachtet, wenn der Vertrag noch nicht einmal zwei Jahre lang dauerte.

Nach ständiger französischer Rechtsprechung steht einem Vertragshändler grundsätzlich kein Entschädigungsanspruch zu, auch nicht in analoger Anwendung von Bestimmungen des HV-Rechtes, dies entgegen der österreichischen und deutschen ständigen Rechtsprechung.

Es kann allerdings ein Schadenersatzanspruch bestehen, insbesondere dann, wenn der Vertragshändler im Vertrauen auf den Vertrag erhebliche Investitionen vorgenommen hat und die vertraglich eingehaltene Kündigungsfrist eine Rentabilisierung der Investitionen im Prinzip ausschließt.
Darüber hinaus wird von der französischen Judikatur häufig der Rechtssatz aufgestellt, der U. habe bei seiner Kündigung, abgesehen von der vereinbarten Frist, grundsätzlich auf die Interessen des Vertragshändlers angemessen Rücksicht zu nehmen.

Dieser Ansicht der unteren Instanzen ist der französische Oberste Gerichtshof, der Cour de Cassation in neuerer Entscheidung deutlich entgegengetreten.
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4) In § 22 sieht das ungarische Gesetz sodann die Möglichkeit der Vereinbarung einer Wettbewerbsabrede
vor, wobei grundsätzlich die Vorgaben der Richtlinie eingehalten werden; die einzelnen Formulierungen sofern die vorliegende Übersetzung authentisch ist, sind jedoch unglücklich gewählt.

Die Beschränkung der zulässigen Wettbewerbsabrede „auf einen mit dem HV-Vertrag identischen Tätigkeitsbereich“ erscheint problematisch, da nach dieser Definition bloß ähnliche Tätigkeitsbereiche dann nicht der Wettbewerbsabrede unterliegen müssen.

Eleganter wäre die in der RL vorgesehene Definition, dass eine Wettbewerbsabrede nur gültig ist, wenn und soweit sie sich auf die dem HV zugewiesenen Bezirke oder Kundenkreise sowie auf Warengattungen erstreckt, die gemäß dem Vertrag Gegenstand seiner Vertretung waren.

Das österreichische Recht kennt eine derartige Wettbewerbsabrede nicht; es statuiert vielmehr in § 25 HVertrG 93 ausdrücklich, dass eine derartige Abrede unwirksam ist.

Mit Ausnahme von Österreich und Portugal sehen alle europäischen HV-Gesetze die Möglichkeit einer derartigen Wettbewerbsabrede vor.

Interessanterweise sieht das Gesetz in diesem Zusammenhang in § 22 Abs.3 für den HV die Möglichkeit vor, im Falle der Vertragsbeendigung wegen grober Vertragsverletzung des Auftraggebers, auch innerhalb eines Monats nach der Kündigung die Wettbewerbsabrede ihrerseits schriftlich zu kündigen, wobei hier keine Kündigungsfrist angeführt ist; eine im Detail ebenfalls unausgereifte Bestimmung.

Es folgen in § 23 Bestimmungen über das Inkrafttreten des Gesetzes, wobei ab 1.1.2003 dieses grundsätzlich auch auf Altverträge anzuwenden ist. Mit diesem Stichtag wird auch die Verpflichtung zum Abschluss eines schriftlichen Vertrages fällig, ausdrücklich wird bei Versäumen einer schriftlichen Abfassung auch der Altvertrag ungültig!?


Zum Abschluss beruft sich das Gesetz in § 24 auf die EG-RL 1986/653/EWG.


Schlussbemerkung:
Wie schon in der Einleitung angeführt, war zum Datum der Verfassung dieses Vortragskonzeptes eine ungarische Rechtsprechung zum neuen Gesetz nicht auffindbar.
Es wird von Interesse sein, wie die ersten ungarischen Gerichtsentscheidungen ausfallen werden und wie sich die Gerichte mit einigen Mängeln des Gesetzes auseinandersetzen werden.

Anzunehmen ist aus historischen und geographischen Gründen, dass die ungarische Gesetzgebung bei der österreichischen Rechtsprechung Anleihen machen wird, sowie auch die österreichische Rechtsprechung sich an die deutsche angelehnt hat.

Denkbar ist weiters, dass gewisse formale Mängel des Gesetzes im Zuge einer Novellierung desselben beseitigt werden.





Salzburg im August 2004 RA Dr. Erich Schwarz




Quellenverzeichnis (unvollständig):
www.commercial-agent.at
CDH Wirtschaftsdienst Ges.m.b.H.
„Die Handelsvertretergesetze in den EU-Mitgliedstaaten und der Schweiz“, diverse schriftliche und mündliche Beiträge der Teilnehmer an den CDH-Rechtsanwaltsforen 2000 in Berlin und 2003 in Bologna,
RA Nils Bayer „Vertrieb in Frankreich I“ u.a.
Korrespondenz mit RA Dr. Gyula Horváth, Budapest